Veranstaltung: | Wahlprogramm 2021: Kommunales Wahlrecht |
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Antragsteller*in: | Schreibgruppe (dort beschlossen am: 19.07.2020) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 20.07.2020, 16:48 |
A1: Wahlprogramm 2021: Kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger*innen
Text
Vision 2050
Grundprinzip der Demokratie ist es, dass diejenigen eine Entscheidung fällen,
die von dieser betroffen sind. In der Praxis ist es aber so, dass ein
erheblicher Teil der Berliner Bevölkerung von demokratischer Mitbestimmung
ausgeschlossen ist: Menschen mit ausschließlich ausländischer
Staatsangehörigkeit sind von Wahlen weitgehend ausgeschlossen. Nur EU-
Bürger*innen dürfen bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen
mitwählen, von der Wahl zum Bundestag und Abgeordnetenhaus sind aber auch sie
ausgeschlossen. Dieser Ausschluss betrifft mehrere Hunderttausende unserer
Mitmenschen hier in Berlin.
Um dieses demokratische Defizit zu mindern, ist es wichtig, dass Einbürgerung
erleichtert und beschleunigt, doppelte Staatsbürgerschaften ermöglicht und das
Geburtsrecht erweitert wird, wie es im Entwurf des neuen Grundsatzprogramms
heißt. Darüber hinaus sollte aber auch eine Ausweitung des Wahlrechts
stattfinden. Es gibt viele legitime Gründe, bei einer ausländischen
Staatsbürgerschaft zu bleiben – sei es die emotionale Verbindung zur Heimat, die
Möglichkeit zurückzukehren oder die Furcht vor bürokratischen Prozessen.
Insbesondere für Entscheidungen auf lokaler Ebene sollte die Staatsbürgerschaft
aber keine notwendige Voraussetzung sein, um mitentscheiden zu dürfen! Von
Radwegen, Jugendarbeit oder Kulturangebot sind alle Bewohner*innen eines Bezirks
in gleicher Weise betroffen, egal, ob sie deutsche, EU- oder sonstige
Staatsbürger*innen sind.
Meilensteine 2035
Unglücklicherweise hat das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen aus
dem Jahr 1990 entschieden, dass selbst ein bloß kommunales Wahlrecht für
Ausländer*innen gegen das Grundgesetz verstößt. Obwohl es an diesen
Entscheidungen in der Rechtswissenschaft auch fundierte Kritik gibt, erscheint
eine Änderung dieser Rechtsprechung unwahrscheinlich. Zur Ausweitung des
Wahlrechts für Ausländer*innen ist somit eine Verfassungsänderung erforderlich.
Dies wurde beim kommunalen Wahlrecht für EU-Bürger*innen bereits vorgemacht. Bis
2035 soll eine Änderung des Grundgesetzes erfolgen, die das kommunale Wahlrecht
(d.h. in Berlin das Wahlrecht auf Bezirksebene) für alle ausländischen
Staatsbürger*innen ermöglicht, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben.
Maßnahmen 2026
In der nächsten Legislaturperiode sollen sich der Senat und das Abgeordnetenhaus
von Berlin für eine solche Verfassungsänderung aussprechen und der Senat soll
einen entsprechenden Änderungsentwurf über den Bundesrat einbringen.
Zudem soll geprüft werden, wie die politische Partizipation von Menschen mit
ausländischer Staatsangehörigkeit in Berlin schon vor der Verfassungsänderung
verbessert werden kann. Vorstellbar ist es etwa, in jedem Bezirk einen von allen
Bewohner*innen mit nicht-europäischer Staatsangehörigkeit gewählten
Integrationsbeirat (entspricht dem sog. “Ausländerbeirat” in anderen
Bundesländern) einzuführen, der auch mit konkreten Rechten (etwa Rederecht in
der BVV, Fragerecht an das Bezirksamt) ausgestattet werden sollte. Hierbei ist
uns wichtig, dass dieser sich nicht “nur” mit integrations- und
migrationspolitischen Vorhaben befasst, sondern ein allgemeinpolitisches Mandat
bezüglich aller bezirklichen Angelegenheiten hat. Die hierzu wahlberechtigten
Bewohner*innen mit nicht-europäischer Staatsangehörigkeit müssen durch den
Bezirk gezielt über ihr Wahlrecht und die Zuständigkeiten des Migrations- und
Integrationsbeirats informiert werden, damit eine möglichst hohe Wahlbeteiligung
erreicht wird; gleiches gilt für die Information von wahlberechtigten
Bewohner*innen mit europäischer Staatsangehörigkeit zu den Wahlen der
Bezirksverordnetenversammlungen und bezirklichen Volksentscheiden.
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